Wer rettet sonst!? – Wir halten Kurs auf Seawatch V
Sea Watch ist ein deutscher Verein mit Sitz in Berlin. Sein Ziel ist, in Seenot geratene Menschen im Mittelmeer zu retten. Seit seiner Gründung 2015 wurden so über 45 Tausend Geflüchtete aus dem Meer in Sicherheit gebracht und auf dem Schiff versorgt.
Am ersten Wochenende im November waren Tage des Offenen Schiffes im Hamburger Hafen. Es war die Gelegenheit, Sea Watch V zu besichtigen und über die Seenotrettung im Mittelmeer mehr zu erfahren. Der bayrische Synodalverband mit Präses Simon Froben wies uns auf die Einladung hin. Kurzerhand haben wir beide Konfirmandengruppen für den Besuch angemeldet. Mit Christopher Geßler, Jugendreferent des 8.Synodalverbands, und einigen jungen Erwachsenen waren wir eine Gruppe von 20 Personen.
Der Andrang vor und auf der Seawatch V war enorm. Von der Überseebrücke aus konnten wir zunächst das Schiff nicht sehen, weil die Cap San Diego in voller Länge davorlag. Kaum aber hatten wir die Brücke verlassen, wimmelte es am Kai von interessierten Schaulustigen.
Und da lag Sea Watch V, nicht exakt so lang wie die Cap San Diego, aber nicht weniger imposant.
Als Gruppe waren wir angemeldet. United4Rescue war der Organisator für unseren Besuch. Dies ist das breite Bündnis zur Unterstützung der zivilen Seenotrettung. Zahlreiche gesellschaftliche Organisationen und Gruppen gehören diesem Bündnis an. Auch wir als Gemeinde unterstützen United4Rescue, das dort humanitär handelt, wo die Politik versagt.
Jonas vom Bündnis heißt uns willkommen und schafft es, uns mit Vera von Seawatch V in Kontakt zu bringen.
Seawatch V, so erzählt sie, sei erst vor kurzem für 4,5 Millionen Euro erworben worden. Es soll im Frühjahr auslaufen in Richtung Mittleres Mittelmeer. Der Einsatzort soll zwischen der Südspitze Italiens und den libyschen Hoheitsgewässern liegen. Genau dort, wo sich so viele verzweifelte Menschen auf kleinen Booten in Richtung Europa auf den Weg machen. Die Seawatch soll noch umgebaut werden. Insgesamt 500 Gerettete soll an Bord Platz finden. Vulnerable Gruppen (Schwangere, Kinder, Erkrankte) sollen unter Deck untergebracht werden, die übrigen auf Deck. Sie werden medizinisch und ernährungstechnisch versorgt. Bestenfalls sollen die Geretteten auf dem schnellsten Weg in einen italienischen Hafen gebracht werden. Doch da türmen sich gewaltige Probleme auf. Italien verweigert das Anlegen in den Häfen. Immer wieder geschieht es, dass Seawatch abgewiesen wird. Ein Skandal, der mit dem internationalen Recht bricht! Und unter der neuen, ultrarechten Regierung von Georgia Meloni wird sich der politische Kurs in Italien eher noch weiter negativ zuspitzen für die Belange von in Seenot Geretteten!
Ob Deutschland eingreifen könnte? so fragen die Konfirmanden. Leider ist auch die deutsche Politik eher darauf aus, Geflüchtete erst gar nicht nach Europa einreisen zu lassen. Eine Zusammenarbeit mit Frontex und der libyschen Küstenwache soll verhindern, dass Geflüchtete überhaupt in internationale Gewässer gelangen. Und schließlich verweise man auch in Berlin gerne auf die Dublin III Verordnung, nach der das Einreiseland, sprich meistens Italien, zuständig für den Schutz der Geflüchteten zuständig sei. So sei man fein raus…
Unter uns macht sich ein wenig Frustration breit. Wer soll denn sonst retten, wenn nicht Seawatch V? Sollen die Menschen sterben?
Auf dem Schiff treffen wir andere junge, engagierte MitarbeiterInnen von Seawatch V. Sie begeistern durch ihre frische und klare Haltung. Die Politik muss ihren Kurs wechseln. Humanitäre Einsätze auf dem Mittelmeer sind zurzeit die einzige Chance, den Schwächsten auf den Meeren zu helfen. Solange Europa nicht gemeinsam eine faire Handhabe für Geflüchtete definiert und das Recht auf Asyl verteidigt, müssen zivile Rettungsorgani-sationen der Politik auf die Sprünge helfen.
Was können wir tun? so die Konfirmanden. Stellt unangenehme Fragen an die PolitikerInnen, organisiert Demonstrationen, informiert euch im Internet, vernetzt euch mit Gleichgesinnten, bohrt eure Eltern mit Fragen und seid bereit zu spenden!
Wir verlassen die Überseebrücke. Mittlerweile hat sich die Sonne verabschiedet. Einigen fröstelt. Wir haben eine Ahnung davon erhalten, wie kalt der Wind auf den Meeren entgegenbläst. Es ist eine Menge zu tun!
Reiner Kuhn